Tele-Tandem
Documents liés au projet / Texte in Zusammenhang mit dem Projekt
Dominique Macaire, Maître de Conférences
IUFM d’Aquitaine, Bordeaux (Frankreich), 2004

Vom Tandem zum Tele-Tandem
Neue Lerntechniken, neue Lernmittel, neue Rollenverteilung
Inhalt

 
 
I Vom Tandem zum Tele-Tandem

Das Prinzip des Sprachenlernens im Tandem besteht darin, dass zwei Lernende oder zwei Lernergruppen verschiedener Herkunftssprache, im vorliegenden Fall ein Franzose und ein Deutscher, sich gegenseitig ihre Sprache beibringen. Zu diesem Zweck werden Aktivitäten angeboten, die entweder während realer Begegnungssituationen (physische Präsenz) oder aus der Ferne unter Anleitung eines deutsch-französischen Lehrer-Tandems durchgeführt werden. Die Grundlagen der Tandemarbeit sind gegenseitige Hilfestellung und Verantwortung. Zusammenarbeit ist unentbehrlich. Dies bringt eine veränderte Wahrnehmung des Lernens und Lehrens mit sich.

Die ersten Versuche des „Lehrens und Lernens auf Gegenseitigkeit“ zwischen Franzosen und Deutschen sind untrennbar mit den Namen Albert Raasch und Peter Scherfer verbunden. Diese frühen Erfahrungen mit Fremdsprachenerwerb nach dem Tandemprinzip basieren auf Beobachtungen, die Ende der sechziger Jahre innerhalb von DFJW-Programmen durchgeführt wurden.

Das Tandemprinzip basiert nach Definition des DFJW auf der praxisorientierten Zusammenarbeit zweier Lernergruppen, die sich gegenseitig ihre Herkunftssprache beibringen und dabei für den eigenen Lernprozess und für den des Anderen Verantwortung übernehmen. Sie sind innerhalb dieses Prozesses aufeinander angewiesen. Sie erleben eine Situation, in der der Austausch mit dem Partner „zum Bedürfnis“ wird. Diese Methode wurde nach und nach in die vom DFJW geförderten Jugendbegegnungen mit Spracharbeit, bis hin zu den sog. „binationalen Sprachkursen“, integriert. Eine der Besonderheiten dieser Programme liegt darin, dass sie zu gleichen Teilen in Frankreich und Deutschland stattfinden (sprach- und kulturorientierte Zusammenarbeit
6) für einen bestimmten Zeitraum). Die Tandemmethode hat die Produktion zahlreicher Lernspiele für interkulturelle und sprachliche Zwecke sowie Vorschläge für die Organisation von Tandemphasen hervorgebracht, welche in den Veröffentlichungen und auf der Website des DFJW nachgelesen werden können. Das 1999 in Deutschland erschienene Handbuch zur Tandemmethode 7) wird ebenfalls in Frankreich veröffentlicht.

Auch der universitäre Bereich profitierte bald von diesen Erfahrungen; erste Tandemversuche wurden z.B. durchgeführt an den Universitäten Bochum (Brammerts) und Bielefeld (Dausendschön-Gay) und in jüngerer Zeit an der Universität Leipzig (Kleppin) oder in Verbindung mit dem Goethe-Institut Paris (Helmling). In Frankreich wurde die Tandemmethode im Sekundarbereich eingesetzt und entsprechende methodologische Handreichungen entwickelt (z.B. von Reymond).

Mit der Erprobung der Tandemmethode im Grundschulbereich betreten die Beteiligten Neuland. Das DFJW hat kürzlich die ersten Ausbildungsseminare zur Tandemmethode für Grundschullehrer konzipiert und durchgeführt.

Die vom DFJW angebotene Tandemarbeit bringt folgende Vorteile mit sich:

- Die Begegnung ermöglicht sowohl Spracherwerb als auch interkulturelles Lernen

- Sprache ist ein reales Kommunikationsmittel und bleibt nicht länger nur ein Unterrichtsfach

- Die mündliche Kommunikation steht im Vordergrund: Hörverständnis und Sprechfertigkeit stehen vor der korrekten Anwendung grammatischer Regeln. Die Partner sollen sich trauen, in der Sprache des Anderen zu kommunizieren

- Der Spracherwerb wird durch das Lernen in einer Zweierkonstellation entdramatisiert (der Lerner ist weniger exponiert)

- Im Vergleich zum klassischen Sprachunterricht verlängert sich die Sprechzeit der Lerner um ein Vielfaches (die Lerner haben mehr Zeit zum Experimentieren, Wiederholen, Verinnerlichen sowie Verbessern der Aussprache, etc., kurz: zum Spracherwerb)

- Das gleichzeitige Lernen und Anwenden der Sprachen während der Begegnung fördert den Spracherwerb

- Die Freude und der Spaß am Erlernen der anderen Sprache stehen im Mittelpunkt des Fremdsprachenerwerbs. Zwischen den Kindern und Jugendlichen entstehen emotionale Bindungen, die sich motivierend auf den Lernprozess auswirken

- Verantwortung und Solidarität ermöglichen den gegenseitigen Austausch von Wissen und Kenntnissen

- Unterschiedliche Sprachniveaus der Lernenden können leichter nebeneinander bestehen als im klassischen Unterricht: Jedes Tandem folgt seinem eigenen Rhythmus, der den Fähigkeiten der jeweiligen Partner entspricht

- Durch das Prinzip des Ortswechsels profitieren die Tandems bzw. Tandemgruppen jeweils vom sprachlich-kulturellen Erfahrungsaustausch

- Das DFJW bietet begleitende Aus- und Fortbildungsseminare zur Tandemmethode sowie Informations- und Auswertungsveranstaltungen an. Dies ermöglicht den vernetzten Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Hilfestellung deutscher und französischer Lehrer

- Tandemarbeit bedeutet nicht nur Erlernen und Erfahren der Sprache und Kultur des Partners, sondern auch eine Hinführung zur deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Aufgrund der Erfahrungen mit binationalen Sprachkursen war es naheliegend, dass Tandemarbeit auch jüngeren Schülern zugute kommen könnte. In Anbetracht der Tatsache, dass die Repräsentation des „eigenen Ichs“ und die des „Anderen“ sich teilweise vor dem 10. Lebensjahr entwickeln, ist die „Öffnung für das Andere“ in diesem Lebensabschnitt von großer Bedeutung. Das Projekt Tele-Tandem möchte einerseits die Begegnung von jungen Kindern fördern und sie somit für eine andere Realität sensibilisieren. Andererseits soll das Bedürfnis nach gemeinsamem Handeln, Sprechen und Lernen gefördert werden, was die Funktionalität der Sprachen in der Begegnungssituation verdeutlicht. Diese neue Form eines kooperativen Lernens wird nun um eine Komponente erweitert: die Einbindung der IKT in die Tandemarbeit.

 
 

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