Tele-Tandem
Évaluation / Auswertung 2002-2004

Tele-Tandem
Auswertung des DFJW-Projekts
2002 – 2004
Inhaltsverzeichnis


 
 
II. Erste Erkenntnisse und didaktische Weiterentwicklung

3. Die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts

Auf der Suche nach einer geeigneten Didaktik für die Begegnung

In der Begegnungssituation gehen die Lernziele über den bloßen Spracherwerb hinaus. In den Vordergrund rücken die kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen. Für die Arbeit am gemeinsamen Projekt muss man mit wenig Wörtern mit dem Partner kommunizieren können (vgl. auch Dominique Macaire: „Du tandem au Tele-Tandem – Nouveaux apprentissages, nouveaux outils, nouveaux rôles“, http://www.tele-tandem.org/doclies/macaire-iufm/macaire-iufm.html). Die (Fremdsprachen-) Didaktik muss daher anders sein als die klassische und folgende Lernziele berücksichtigen:

- die Entwicklung einer kommunikativen Kompetenz (Spracherwerb, kommunikative Strategien, nonverbale Kommunikationsstrategien, etc.)

- die Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz

- die Entwicklung von Lernstrategien, die auf Gegenseitigkeit beruhen und die die Lernerautonomie im geschlossenen kleinen Sozialraum der Klasse bzw. der deutsch-französischen Gruppe fördern.

Viele der genannten Kompetenzen können durch Tandem-Arbeit erworben werden, weil die Methode eine Didaktisierung des Lernens in einer authentischen Kommunikationssituation vorsieht. Autonomes Lernen wird z.B. gefördert durch:

- ein aktives Lernverhalten für sich und für die Gruppe. Dazu gehört: neugierig sein, zu verstehen versuchen, sich seine Lerninhalte selbst aussuchen, aufnahmebereit sein, mit den Klassenkameraden zusammenarbeiten und Wissen teilen, Lösungen vorschlagen, etwas riskieren, Fehler und Versuche akzeptieren, seinem Tandempartner helfen, etc.

- eine Praxis der Fremdsprache: Globalverstehen entwickeln (Schlüsselwörter und häufige Strukturen erkennen können, Äußerungen wiederholen lassen, den Sinn durch andere Hinweise entschlüsseln können). Aktives Lernen bedeutet, die entdeckten Strukturen aufzuschreiben und zu wiederholen, sie sich merken, sie wiederholt anwenden, ihre Anwendung in neuen Kontexten ausprobieren, versuchen sie richtig auszusprechen etc.

- ein Bewusstwerden der eigenen Muttersprache (im Vergleich zur Sprache des Partners). Damit die Kommunikation gelingt, muss man (seine Muttersprache) deutlich und langsam sprechen, einfache Sätze bauen und den Wortschatz entsprechend der Kenntnisse des Partners auswählen.

- den Rückgriff auf nonverbale Kommunikation (etwas zeichnen, zeigen, tun, Pantomime etc.). Ebenso müssen die nonverbalen Reaktionen des Partners beobachtet werden und die Intonation bei der Erschließung des Sinns miteinbezogen werden.

Die Videoaufnahmen zeigen insbesondere, dass sich die Schüler beim Gebrauch ihrer Muttersprache sehr gut dem Gesprächspartner anpassen können und auch nonverbale Strategien einsetzen, um sich verständlich zu machen. In der Zielsprache äußern sie Schlüssel-Wörter oder –Strukturen, die sie also herausfinden, sich merken und in einer passenden Situation verwenden können. Oft wiederholen sie die Äußerung in ihrer eigenen Sprache – offenbar ist die Fremdsprache noch sehr fremd.

Es ist schwer, sich anhand der gesammelten Daten eine umfassende Vorstellung des didaktischen Ansatzes der Lehrer zu machen. Jedoch haben alle Lehrer Tandem-Aktivitäten eingesetzt.

Dennoch fehlen vielen Sprachübungen (bei den Tele-Tandem-Einheiten und während der Begegnung) wichtige Kriterien des Tandem-Verfahrens: die Kinder sollten voneinander die Sprache des anderen lernen und nicht nur (in der Rolle des lehrenden Schülers) vorsprechen und wiederholen lassen. Häufig werden Übungen aus dem klassischen Unterricht übertragen, wie z.B. Dialoge nachsprechen, Objekte benennen, etc. Nur wenige Ausnahmen weichen von diesem Verfahren ab, z.B. eine Übung, die ein Wortfeld mit Hilfe des Partners erarbeiten lässt. Keine der Übungen sieht vor, Hypothesen zu überprüfen oder Gelerntes wieder anzuwenden, um eine gemeinsame Kommunikationsaufgabe zu lösen.

Hingegen stellt man ein großes Kommunikations- und Lernpotential fest, wenn eine natürlichen Kommunikation entsteht, wenn die Kinder sich aus eigenem Antrieb über ein Thema austauschen wollen, das sie interessiert (z.B. Schimpfwörter / "gros mots"; Fußballergebnisse erfragen statt die Aufgaben zu machen; eine Kleingruppe kommunizierte mit der Moderatorin des Forums).

Von den Übungsformen des Unterrichts einmal abgesehen, scheint es auch weitere Konstellationen zu geben, die die kommunikative Kompetenz in der Fremdsprache fördern:

- die gleichzeitige Verwendung von deutsch und französisch ermöglicht es, Verstandenes zu überprüfen und das Hörverstehen der Fremdsprache auszubauen;

- wenn beide Partner etwa gleiche Vorkenntnisse haben, kann eine zweisprachige Person das Verständnis sichern, indem sie nicht verstandene Elemente umformuliert oder erklärt;

- Situationen, in denen das Sprachliche durch explizite Gestik ergänzt wird, z.B. bei den Zirkus-Workshops, bei Singspielen, Gruppentänzen, Ballspielen etc. (siehe Video über Austausch Nevers);

- Situationen, bei denen alle über ein gemeinsames Hintergrundswissen verfügen (Spiele, die beide Partner kennen, Emoticons etc.);

Aus den Beobachtungen lassen sich für die Didaktik einige Erkenntnisse gewinnen 4):

- die außersprachliche Komponente, die untrennbar mit der Begegnung verbunden ist, muss stärker genutzt werden.

- Übungsformen für das Globalverstehen müssen ausgebaut werden.

- Übungsformen, die explizite Gestik einbeziehen (Workshops, Spiele, Pantomime, Sport etc.).

- Gemeinsames (Vor-)Wissen muss zur Unterstützung des Spracherwerbs besser genutzt werden.

- Die verschiedenen Möglichkeiten, die das Tandem-Verfahren bietet, sollten besser genutzt werden.

- Die Schüler sollten lernen, aus einer erlebten Situation zu lernen.

- Die Kinder sollten unterstützt werden, sich Notizen zu machen, ihr Gelerntes festzuhalten, zu strukturieren und neu zu organisieren.

- Geeignete Übungsformen sollten eingesetzt werden, um schon Gelerntes in anderen Situationen wieder anzuwenden und damit zu festigen (Transfer-Übungen).

 
 

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